Viersäulensaal

Historische Eingangshalle zu den kaiserlichen Gästegemächern

Der Viersäulensaal im Erdgeschoss des Steinzimmertrakts ist weit mehr als eine historische Eingangshalle – er ist ein steinerner Zeuge von über 400 Jahren bayerisch-pfälzischer Geschichte. Seine vier tragenden Säulen stützen nicht nur die prächtigen kaiserlichen Gästegemächer darüber, sondern symbolisieren die jahrhundertealte Verbindung zwischen Bayern und der Pfalz, die durch Krieg und Frieden, Trennung und Wiedervereinigung geprägt wurde.

Historische Eingangshalle zu den ehemaligen herzoglichen Gästezimmern im Steinzimmerttrakt der Residenz.

Historische Eingangshalle zu den ehemaligen herzoglichen Gästezimmern im Steinzimmerttrakt der Residenz.

Dieser Raum wurde zwischen 1611 und 1619 während des ambitioniertesten Bauprogramms der Münchner Residenz unter Herzog Maximilian I. von Bayern errichtet. Er diente als funktionaler Zugang zu den exklusivsten Gästeappartements des gesamten Reiches – den legendären Steinzimmern im Obergeschoss, die ausschließlich dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und seiner Gemahlin vorbehalten waren. Heute beherbergt er seit 1970 die Pfälzer Weinstube und verbindet damit auf einzigartige Weise seine historische Funktion als Empfangsraum mit der kulinarischen Tradition der vereinigten wittelsbachischen Territorien.

Architektur und künstlerische Meisterschaft

Hans Krumpper (ca. 1570-1634), deutscher Bildhauer, Stuckateur und Architekt, lieferte zwischen 1612 und 1617 den Gesamtentwurf für die Steinzimmer und die zugehörigen Bauten. Die Innenausstattung überwachte Peter Candid, der seit 1612 die Ausmalung der Residenz leitete. Seine Deckengemälde und Tapisserieentwürfe entwickelten ein elaboriertes ikonografisches Programm, das fürstliche Tugend und Macht verherrlichte.

Der Viersäulensaal mit seinen vier tragenden Säulen, die dem Raum den Namen geben, bildete die funktionale Basis dieser vertikalen Hierarchie. Der Boden zeigt ein sorgfältig erhaltenes Schachbrettmuster mit nummerierten Einzelfliesen, die hohen Gewölbedecken ruhen auf den historischen Säulen. Angesichts der Lage direkt unter den kaiserlichen Appartements diente der Raum vermutlich als Empfangshalle, Wachstube oder Versorgungsbereich für die Gästegemächer darüber – eine Schwelle zwischen der öffentlichen und der privaten Sphäre der Macht.

Im Obergeschoss lagen die eigentlichen Steinzimmer – benannt nach der verschwenderischen Verwendung von Marmor, Stuckmarmor und farbigen Stuckmarmorintarsien. Die Wände wurden bei kaiserlichen Besuchen mit den kostbarsten Tapisserien der Residenz behängt – goldene Bildteppiche, die Maximilian zwischen 1604 und 1611 bei dem niederländischen Meisterweber Hans van der Biest in Auftrag gegeben hatte und die Taten von Pfalzgraf Otto I., dem ersten bayerischen Herzog aus dem Geschlecht der Wittelsbacher, zeigen.

Ein Raum zwischen Geschichte und Gegenwart

Die Münchner Residenz erlitt im März und April 1944 katastrophale Schäden durch Bombenangriffe. Die Steinzimmer im Obergeschoss wurden vollständig zerstört. Doch die Wittelsbacher hatten vorausschauend gehandelt: Die meisten beweglichen Kunstwerke waren vor den Bombardierungen an sichere Orte ausgelagert worden.

Im Mai 1945 begann unter der Leitung von Professor Rudolf Esterer und Professor Otto Meitinger der monumentale Wiederaufbau. Bei den Steinzimmern entschied man sich für eine Rekonstruktion im Zustand von etwa 1615 – eine bewusste Rückkehr zum frühbarocken Original Maximilians I. Die originalen, erhaltenen Tapisserien von 1604-1611 wurden wieder aufgehängt.

Der Viersäulensaal im Erdgeschoss, der die Bombardierungen teilweise überstanden hatte, wurde ebenfalls wiederaufgebaut. Das historische Schachbrettmuster des Bodens mit seinen nummerierten Einzelfliesen wurde sorgfältig bewahrt, die hohen Gewölbe und die vier namensgebenden Säulen rekonstruiert. 1950 wurde zunächst in einem anderen Raum eine Weinstube eröffnet; 1970 zog die Pfälzer Weinstube aufgrund hoher Nachfrage in den größeren Viersäulensaal um.

Heute verbindet der Viersäulensaal auf einzigartige Weise mehrere historische Ebenen: Die gotischen Keller aus dem 14. Jahrhundert lagern bis zu 60.000 Flaschen Wein; das Erdgeschoss mit seinen vier Säulen aus der Zeit Maximilians I. (1611-1619) beherbergt seit 1970 die Pfälzer Residenz-Weinstube; darüber, im rekonstruierten Obergeschoss, glänzen die wiederhergestellten Steinzimmer mit ihren originalen goldenen Tapisserien.

Die Wahl, in diesem historischen Raum eine Pfälzer Weinstube zu etablieren, ist mehr als eine gastronomische Entscheidung – sie ist eine Hommage an die Wiedervereinigung von Bayern und Pfalz unter Karl Theodor 1777, nach 448 Jahren der Trennung seit dem Vertrag von Pavia 1329. Der Viersäulensaal ist damit ein Palimpsest der Geschichte: gotische Fundamente, frühbarocke Säulen, Kriegszerstörung, Nachkriegsrekonstruktion und gegenwärtige Nutzung überlagern sich in einem Raum, der seit über 400 Jahren Menschen empfängt – einst als Schwelle zu den exklusivsten Gästegemächern Europas, heute als Ort der bayerisch-pfälzischen Gastfreundschaft.